2022 auf JukeJoint500
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Wir haben Tim und sein Quartett im September 21 beim Goezit Festival erleben dürfen und Tim's Version des Blues ist uns direkt unter die Haut gegangen. Nach dem Gig haben wir sofort eine Zusammenarbeit vereinbart, die leider im Mai 2022 ein jähes Endes gefunden haben, als Tim während einer Operation verstarb. Dies sind die letzten Aufnahmen mit einer dieser formierten Band, die uns so begeistert hat.
Aufgewachsen im ländlichen Westouter, entdeckte Tim de Graeve seine Liebe zur Bluesmusik über die Plattensammlung seines Vaters, darunter ein Akustikalbum von Blind Lemon Jefferson. Ab seinem achten Lebensjahr nahm Tim Unterricht in klassischer Gitarre und begann bald, selbst Songs zu schreiben. Tim gründete im Alter von 17 Jahren seine eigene Bluesband und ging nach Gent, um an der Universität Biologie zu studieren. Dort wohnte für den Rest seines Lebens. Er arbeitete eine Zeit lang als Lehrer, wobei das Musizieren mit seiner Band The Heartfakers nur ein Hobby war.
Im Alter von 20 begann eine 9-jährige Leidenszeit. Schon als Kind hatte er Probleme mit der Leber, was damals aber nicht korrekt diagnostiziert wurde. Das sollte sich rächen, denn als junger Mann verbrachte er die meißte Zeit im Krankenhaus und kämpfte fast eine Dekade um sein Leben. Währenddessen konzentrierte sich Tim das Spielen der Slide-Gitarre seines Großvaters zu lernen und vertiefte sich in Blues-Klassiker wie Delta-Blues und schrieb Songs. Damals schwor er sich, würde er es überleben, würde er nur noch Musik machen.
2009 veröffentlichte er seine Debüt-EP unter dem Namen Tiny Legs Tim & The Concrete Blues Band. Danach konzentrierte er sich einige Jahre lang auf die Veröffentlichung von Soloarbeiten als Singer-Songwriter. Sein Künstlername Tiny Legs war ein Hinweis auf sein kleines und dünnes Aussehen, das auf seine schwere Lebererkrankung zurückzuführen war. Die Inspiration kam von einigen seiner Blues-Helden wie Blind Willy Johnson, Big Bill Broonzy und Sleepy John Estes, die ebenfalls dreiteilige Namen tragen und oft eine körperliche Eigenschaft beschreiben. Er fand, es sei ein guter Name, der eine selbstrelativierende Wirkung habe. Es war eine Art, mit seinem "neuen" Körper umzugehen.
In Gent, insbesondere im Stadtteil Klein Turkey, wurde Tiny Legs Tim zusammen mit seinem Kollegen Lightnin' Guy zur Stimme einer völlig neuen Blues-Generation. 2011 begann Guy damit, elektrische Blues-Jams zu organisieren, zuerst in einem kleinen B&B, dann im Volkshuis. Von 2014 bis 2018 waren sie Mitorganisatoren des Boogieville Blues Festivals im Balzaal von De Vooruit. 2015 wurde eine gute Freundin, Marie Follebout, auf seine Ermutigung hin Gründerin und Managerin des Blues- und Roots-Konzertclubs Missy Sippy in Little Turkey, wo Tim Hausmusiker wurde. Er trat dort zahlreiche Male auf und kuratierte die Blues-Jams. Darüber hinaus suchten er und der Club nach alternativen Musikstilen wie Funk, Americana, Jazz, Country, Rock and Roll, Burlesque und Soul, um mehr jungen Musikern eine Chance zu geben. Während der zehntägigen Gentse Feesten waren immer mindestens dreißig Auftritte im Missy Sippy geplant. Anlässlich des fünfjährigen Jubiläums des Clubs veröffentlichte Tim im März 2020 ein Album namens Missy Sippy All Stars Volume 1, das mit zwanzig Musikern der Szene aufgenommen wurde. Um sich vom Blues inspirieren zu lassen, reiste Tim 2017 und 2019 nach Louisiana in den Vereinigten Staaten, insbesondere nach New Orleans. Auch afrikanische Musik wie der Mali-Blues und der Tuareg-Blues inspirierten ihn aufgrund ihres rhythmischen Gefühls mit viel Percussion.
Mit seiner sogenannten One Man Blues Band ist Tim hauptsächlich solo in Clubs und auf Festivals in ganz Europa aufgetreten. Er unterstützte Peter Doherty, John Mayall, The North Mississippi Allstars, Graham Parker, Bombino und Ian Siegal.
Tim veröffentlichte alle seine Platten selbst, um die volle Kontrolle über seine eigene musikalische Identität zu behalten. Er machte gerne Platten nur mit ihm als Sänger und Musiker. 2015 gründete Tim mit seinem dritten Album Stepping Up ein richtiges Plattenlabel mit dem Titel Sing My Title. Das Label veröffentlicht Alben von lokalen Blues- und Roots-Musikern wie Kaai Man aus Temse, Paul Couter, Steven Troch aus Mechelen, Little Jimmy und der Band A Murder in Mississippi.
„Call Us When It's Over“ (der Titel ist eine Anspielung an die Pandemie, die zur der Zeit Auftritte unmöglich machte) ist Tim's letzte Aufnahme mit einem neu zusammengestellten Quartett, welches uns live so überzeugt hat, daß wir Tim's Musik auf JukeJoint500 veröffentlichen mussten. Das sollte der Beginn einer langen und fruchtbaren Zusammenarbeit sein, aber Tim de Graeve verstarb am 22. Mai 2022 nach Komplikationen bei seiner 3. Lebertransplantation.